Übersicht: NewsErstellt am: 21.06.2024

KI trifft Hirnforschung im C-TNBS

Verstärkung für das C-TNBS: Prof. Dr. Tamás Spisák hat die neue Professor für prädiktive Neurowissenschaften an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen übernommen und bringt damit seine Kompetenz in Sachen Künstliche Intelligenz für die Neurowissenschaften in unser Netzwerk ein.

Spisák entwickelt mithilfe computergestützter Neurowissenschaften und Künstlicher Intelligenz (KI) so genannte Neuromarker. Das sind Merkmale der individuellen Struktur und Funktionsweise unseres Gehirns, die Unterschiede zwischen Menschen deutlich machen. Ziel ist es, durch solche Neuromarker verschiedene Hirnphänotypen zu identifizieren, die bei der Diagnose oder Behandlung von Patientinnen und Patienten hilfreich sein können.

Tamás Spisák, Ihre neue Professur bildet eine Schnittstelle zwischen dem Institut für Künstliche Intelligenz (IKIM), den Sonderforschungsbereichen SFB/TRR 289 „Treatment Expectation“ und SFB 1280 „Extinction Learning“ sowie dem C-TNBS. Was versprechen Sie  sich vom Netzwerk des C-TNBS?

Die Zusammenarbeit innerhalb des C-TNBS ist besonders interessant, weil sie eine enge Verknüpfung von klinischer Praxis und experimenteller Forschung ermöglicht. Diese interdisziplinäre Vernetzung erlaubt es, neurowissenschaftliche Erkenntnisse direkt in klinische Anwendungen zu übertragen und gleichzeitig klinische Erfahrungen reibungslos in die Grundlagenforschung zurückzuführen. Die Kooperation innerhalb und außerhalb des C-TNBS, zum Beispiel mit dem Institut für KI in der Medizin (IKIM), fördert zudem den Austausch von Wissen zwischen verschiedenen Forschungsgruppen in Bereichen wie Computationale Ansätze, Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz – das alles sind Technologien, die in vielen Disziplinen den Schlüssel zur Innovation darstellen.

Künstliche Intelligenz spielt für Ihre Forschung eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Daten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzuführen und auszuwerten. Welche neuen Möglichkeiten bietet sie Ihnen dabei?

Künstliche Intelligenz bietet in der Forschung neue Möglichkeiten, indem sie große und komplexe Datenmengen effizient analysiert und integriert. KI-gestützte Algorithmen können Muster in Daten erkennen, die für Menschen schwer zu entdecken sind, und so zu neuen Erkenntnissen über die Gehirnfunktion und ihre Beziehung zu Verhalten und klinischen Merkmalen führen. Darüber hinaus ermöglicht KI die Entwicklung personalisierter Modelle, die individuelle Unterschiede berücksichtigen und somit präzisere Vorhersagen über die Gehirnfunktion und Verhaltensweisen ermöglichen. Dies kann zu maßgeschneiderten Behandlungsansätzen für Patienten führen.

Sie suchen nach sogenannten Neuromarkern, mit deren Hilfe sich individuelle Unterschiede in der Gehirnfunktion erkennen und möglichst auch voraussagen lassen. Welche Marker können das zum Beispiel sein?

Neuromarker, die zur Erkennung und Vorhersage individueller Unterschiede in der Gehirnfunktion verwendet werden, umfassen eine Vielzahl von biologischen Signalen. Dazu gehören strukturelle und funktionelle Bildgebungsdaten aus Millionen von Messungspunkten sowie psychometrische und neuroendokrine Datensätze. Solche Marker können Hinweise auf neuronale Aktivitätsmuster geben, die mit spezifischen kognitiven Funktionen, psychologischen Merkmalen oder Verhaltensweisen korrelieren.

Sind Sie schon jetzt in der Lage, manche Reaktionen von Testpersonen aufgrund solcher Marker vorherzusagen?

Ja, es gibt bereits Fortschritte in der Vorhersage bestimmter biologischer, kognitiver und Verhaltensmerkmale basierend auf Neuromarkern. Zum Beispiel können wir durch die Anwendung von maschinellem Lernen und fortschrittlichen Analyseverfahren anhand von Unterschieden in der Morphologie und Konnektivität bestimmter Gehirnregionen die individuelle Schmerzempfindlichkeit vorhersagen, was eine große Relevanz bei chronischen und postoperativen Schmerzen hat.

Obwohl die prädiktive Genauigkeit dieser Marker vielversprechend ist, müssen sie auch robust über verschiedene Messzentren und Protokolle hinweg sein und für verschiedene Subpopulationen generalisierbar und fair sein. Wichtig ist auch, dass die Marker erklärbar sind. Das heißt, wir müssen ein besseres Verständnis der neuronalen Mechanismen entwickeln, die den Vorhersagen zugrunde liegen. Es gibt also noch viel zu tun, bevor solche Marker im Klinikum eingesetzt werden können.